4 Fragen an Dr. Michael Holstein, DZ BANK

Die EZB hat die Zinsen am 08. September 2022 um 75 Basispunkte angehoben, so stark wie bislang noch nie in ihrer Geschichte. Der große Zinsschritt und auch die folgenden aggressiven Wortmeldungen waren ein klares Zeichen, dass die europäischen Währungshüter der Inflationsbekämpfung nun Vorrang geben. So wird eine weitere geldpolitische Straffung in Aussicht gestellt, auch wenn sich das Wirtschaftswachstum abkühlt. Wir haben daher auch unsere Zinsprognose angehoben und erwarten auf 12-Monats-Sicht weitere Zinsanhebungen um insgesamt 150 Basispunkte, auf dann 2,75 % für den Refi-Satz und 2,25 % für den Einlagesatz.

Die Inflationsrate in Deutschland lag im August bei 7,9 % und bewegt sich schon seit einem halben Jahr deutlich oberhalb von 7 %. In den Herbstmonaten dürfte sie sogar noch etwas weiter ansteigen, weil die Entlastungen durch den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket wegfallen und die Gasumlage noch hinzukommt. Für das Gesamtjahr 2022 erwarten wir eine Verbraucherpreisinflation von 8,2 % und auch 2023 bleibt sie voraussichtlich mit 6,4 % auf sehr hohem Niveau. Die Teuerungsrate und damit auch der Kaufkraftverlust für die privaten Haushalte dürften also mindestens bis weit ins nächste Jahr hin auf sehr hohem Niveau bleiben.

Die hohen Energiepreise lasten auf der deutschen Konjunktur. Unternehmen haben zum Teil enorme Steigerungen ihrer Produktionskosten, insbesondere in energieintensiven Branchen lohnt sich die Produktion kaum noch. Hier verursachen die hohen Gas- und Strompreise also bereits Abschaltungen, ohne dass diese angeordnet werden müssten. Staatliche Hilfsprogramme zur Überbrückung der nächsten Monate, vor allem für kleinere Mittelständler, sind hier unbedingt notwendig.

Für die privaten Haushalte bedeuten die enorm hohen Heizkosten ebenfalls eine starke Belastung. Besonders für Bezieher kleinerer Einkommen wird eine staatliche Unterstützung unabdingbar sein, um über den Winter zu kommen. Zumal die Lebensmittelpreise derzeit ebenfalls mit zweistelligen Raten steigen. Der private Konsum wird daher zweifellos in den kommenden Monaten unter den angespannten Budgets der Haushalte leiden und die Konjunktur entsprechend belasten.

Statt einer scharfen Preiskorrektur sind am deutschen Immobilienmarkt eher sukzessive Preiszugeständnisse zu erwarten, weil sich parallel zur krisenbedingt schwächeren Nachfrage auch das Angebot verknappt. So sind praktisch alle Immobilien im Bau verkauft, während geplante Neubauprojekte auf Eis liegen, weil wegen rapide steigender Baukosten noch höhere Verkaufspreise als bisher gefordert werden müssten. Außerdem ist der Verkaufsdruck gering. Festzinsen schirmen die Kreditnehmer vor steigenden Zinsen ab. Laufen Zinsbindungen aus, ist das Zinsniveau gegenüber 2012 fast unverändert. Vermietete Objekte profitieren von niedrigen Leerständen und meist kräftig gestiegenen Mieteinnahmen. Gewerbemieten sind zudem oft inflationsindexiert.