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Dr. Moritz Kraemer
"Einen ersten Zwischenhalt der Leitzinsen erwarte ich 2024 bei 1,5%"

Interview

5 Fragen an Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt LBBW

Christian Walburg

Christian Walburg

Verband deutscher Pfandbriefbanken

Die Verbraucherpreise im Euroraum sind im März um 7,5% gestiegen, der Sachverständigenrat hat jüngst seine Konjunkturprognose für Deutschland auf 1,8% im laufenden Jahr deutlich nach unten revidiert. Welche Prognose wagen Sie für Preisentwicklung und Wachstum bis zum Jahresende?

Dr. Moritz Kraemer

Dr. Moritz Kraemer

LBBW

Bislang erwarte ich für das Gesamtjahr in Deutschland eine Inflation von 5,5%, im Euroraum 6%. Die März-Zahl war natürlich ein Schlag ins Kontor. In den ersten beiden Monaten lag die Inflation deutlich tiefer. Zudem haben wir aufgrund des Energie-Entlastungspakets jetzt in Deutschland erst einmal drei Monate mit etwas weniger Inflation vor uns. Das deutsche BIP sehe ich bei +2,2%, das EWU-BIP bei +3,2% für das Gesamtjahr 2022. Dabei nehme ich an, dass es kein Energieembargo geben wird. Mit den Nachrichten zu den mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen steigt das Risiko, dass diese Annahme falsch sein könnte.

Christian Walburg

Christian Walburg

Verband deutscher Pfandbriefbanken

Welcher EZB-Zinspfad liegt dieser Prognose zugrunde?

Dr. Moritz Kraemer

Dr. Moritz Kraemer

LBBW

Die EZB hat sich bislang nur sehr zögerlich bewegt. Nach der März-Sitzung war ihr Ziel, sich argumentativen Spielraum in beide Richtungen zu verschaffen. Angesichts der hohen Unsicherheit ist letztlich nicht klar, wie lange die Inflation so hoch bleibt. Zuletzt hat jedoch der Preisdruck an Breite gewonnen; ich gehe daher davon aus, dass die EZB im vierten Quartal ihren Einlagesatz erstmals erhöhen wird. Weitere Zinserhöhungen dürften dann im Quartalsrhythmus folgen. Einen ersten Zwischenhalt der Leitzinsen erwarte ich 2024 bei 1,50% für den Hauptrefinanzierungssatz. Danach muss man sehen, wie die Lage aussieht.

Christian Walburg

Christian Walburg

Verband deutscher Pfandbriefbanken

EU Taxonomie & EU Green Bond Standard: Droht eine Überregulierung des noch jungen Segments, die die Finanzierung der Umweltziele der Union letztlich gefährdet?

Dr. Moritz Kraemer

Dr. Moritz Kraemer

LBBW

Eine Überregulierung sehe ich hier noch nicht. Im Gegenteil. Es ist ein Versuch, dieses komplexe und herausfordernde Thema konkret zu fassen. Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und am Kapitalmarkt ist noch sehr jung. Alleine die drei Bausteine Environment, Social und Governance (ESG) beinhalten eine extrem hohe Bandbreite an Fragestellungen, die zielgerichtet gelöst werden müssen. Dabei ist der Klimaschutz relativ gut greifbar und kann mittels CO2-Emissionen gemessen werden. Andere Ziele sind rein qualitativer Natur. Um in Europa die Umweltziele zu erreichen, muss ein gemeinsames Verständnis dafür geschaffen werden, was dies für uns bedeutet. Hier kommt die EU-Taxonomie als Kompass ins Spiel, der eine Richtung vorgibt. Es muss klar sein, welche Maßnahmen uns den Umweltzielen näherbringen und welche nicht. Die EU-Taxonomie ist auch die Basis für viele EU-Gesetze, wenn es um nachhaltige Themen geht. Dies gilt auch für den kommenden EU Green Bond Standard. Sowohl Emittenten als auch Investoren erhalten damit einen Qualitätsstandard. Die zielgerichtete Finanzierung der nachhaltigen Zukunft über den Kapitalmarkt wird darüber festgelegt. Wichtig ist, dass wir in einem hochdynamischen Umfeld laufend neue Erkenntnisse hinsichtlich Nachhaltigkeit verarbeiten müssen. Die größte Herausforderung, die ich bei den EU-Gesetzgebern sehe, ist, dass sie in der Lage sein müssen, die EU-Taxonomie iterativ anzupassen und Übergangsvorschriften zu definieren. Und dies sehr schnell.

Christian Walburg

Christian Walburg

Verband deutscher Pfandbriefbanken

Die Preise für Wohneigentum in Deutschland haben im vergangenen Jahr mit über 10% zugelegt. Welches Signal geht von seit Jahren steigenden Häuserpreisen für Sie aus – ist eine Übertreibung in Deutschland möglich? Welchen Trend sehen Sie in den kommenden 3 bis 5 Jahren?

Dr. Moritz Kraemer

Dr. Moritz Kraemer

LBBW

Die Preisentwicklung am deutschen Wohnimmobilienmarkt war in den letzten Jahren insbesondere durch eine aufgestaute Nachfrage nach Wohnraum bestimmt. Neben demographischen Entwicklungen spielte hier vor allem die extrem expansive Geldpolitik der EZB eine entscheidende Rolle, welche für historisch günstige Hypothekenzinsen sorgte. Auch die Corona Pandemie konnte dieser Entwicklung nichts anhaben – im Gegenteil – das zunehmende Arbeiten im Homeoffice beflügelte die Nachfrage zusätzlich. Mit der gestiegenen Inflation, einem deutlich anziehenden Zinsniveau sowie dem Krieg in der Ukraine ergibt sich nun eine neue Ausgangssituation. Einerseits dürfte der jüngste Zinsanstieg zu einem Bremseffekt bei den Hauspreisen führen. Andererseits sollten der Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine sowie der Ruf der Immobilie als krisenfeste Kapitalanlage die Nachfrage weiterhin aufrechterhalten. Insgesamt gehe ich für die nächsten Jahre mit Blick auf das Tempo des Preisanstiegs von einer rückläufigen Dynamik aus.

Christian Walburg

Christian Walburg

Verband deutscher Pfandbriefbanken

Der Covered Bond Markt war im ersten Quartal ergiebig wie zuletzt 2011. Welche Treiber sehen Sie und wird das Tempo anhalten – bis wann?

Dr. Moritz Kraemer

Dr. Moritz Kraemer

LBBW

Unsere Erwartung, dass ein Auslaufen der TLTRO-III-Sonderkonditionen im Juni dieses Jahres den Covered Bond Primärmarkt wieder antreibt, wurde bereits zum Jahresanfang bestätigt. Die anhaltenden Diskussionen über eine baldige Zinswende auch im Euroraum und ein damit einhergehender Anstieg des zugrundeliegenden Renditeniveaus haben in meinen Augen zu einer weiteren Beschleunigung der Emissionsaktivitäten geführt. Im Umfeld des Ukraine-Konfliktes haben Covered Bonds zudem erneut ihre Eigenschaft als Safe Haven Instrument unter Beweis gestellt und somit Emittenten einen stetigen Markzugang gewährleistet. Im Ergebnis erweist sich das Q1 2022 mit EUR Benchmark Emissionen in Höhe von 76,1 Mrd. EUR als stärkstes Auftaktquartal seit 2011. Neben typischen kerneuropäischen Jurisdiktionen wie Deutschland und Frankreich zeigten sich vor allem Emittenten aus Drittländern – hier insbesondere aus Kanada und Australien – extrem stark. Kurzfristig gehe ich davon aus, dass das Tempo im zweiten Quartal weiter anhält. Im weiteren Jahresverlauf sollte die Dynamik, nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Anpassung der EZB Geldpolitik, jedoch etwas abflachen. Insgesamt bin ich optimistisch, dass unsere Gesamtjahresprognose für das EUR Covered Bond Benchmark Segment von 125 Mrd. EUR sogar noch übertroffen werden könnte.

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